Die belgische Clearingstelle Euroclear hat ein neues Verfahren eingeführt, das russischen Investoren die Freigabe ihrer eingefrorenen Vermögenswerte ohne Lizenz der US-Sanktionsbehörde OFAC ermöglicht. Potenziell könnten dadurch über 200 Milliarden Dollar entsperrt werden. Das steckt dahinter.
- Euroclear umgeht OFAC bei Entsperrung russischer Assets
- Neues Verfahren seit 1,5 Monaten in Kraft
- Erste erfolgreiche Fälle bereits dokumentiert

Die europäische Clearingstelle Euroclear hat die Anforderungen zur Entsperrung russischer Vermögenswerte deutlich gelockert. Das neue Verfahren wurde vor etwa sechs Wochen genehmigt und erlaubt erstmals die Freigabe ohne Genehmigung der US-Behörde Office of Foreign Assets Control (OFAC).
Wie der Anwalt Gleb Boiko von NSP Law gegenüber Medien erklärte, vereinfacht die neue Regelung die Entsperrung von Vermögenswerten erheblich. Entscheidend dabei: Solange keine US-Person oder US-Finanzinstitution an der Transaktion beteiligt ist, verzichtet Euroclear auf die bisher obligatorische OFAC-Lizenz.
Warum die Änderung jetzt kommt
Seit 2024 war eine OFAC-Genehmigung zwingend erforderlich, nachdem die USA Sanktionen gegen die Moskauer Börse verhängt hatten. Die neue Euroclear-Regelung schafft nun einen Weg, diese Hürde zu umgehen. „Wenn keine US-Person an der Entsperrung beteiligt ist, benötigt Euroclear keine OFAC-Lizenz mehr – selbst bei Wertpapieren mit US-Bezug“, so Boiko.
Der Rechtsexperte bestätigte, dass bereits drei Fälle bekannt seien, bei denen Vermögenswerte nach dem neuen Verfahren erfolgreich entsperrt wurden. Details zu den beteiligten Parteien oder den Summen nannte er allerdings nicht.
Politische Sprengkraft der Entscheidung
Euroclear verwaltet insgesamt über 45 Billionen Dollar an Vermögenswerten und ist zum Brennpunkt eines geopolitischen Streits geworden. Die EU und die USA hatten wiederholt erwogen, die eingefrorenen russischen Gelder zur Unterstützung der Ukraine einzusetzen.
Finanzanalyst Jim Rickards warnte bereits vor einem solchen Schritt und verwies auf die Gefahr eines Vertrauensverlusts in das europäische Finanzsystem. Auch Euroclear-CEO Valerie Urbain äußerte 2024 deutliche Bedenken: „Es besteht das Risiko, einen Präzedenzfall zu schaffen. Das Vertrauen, das über Jahrzehnte in das System aufgebaut wurde, wird plötzlich infrage gestellt.“
Unklar bleibt, auf welchen Anteil der eingefrorenen russischen Vermögenswerte das neue Verfahren tatsächlich anwendbar ist. Solange der Konflikt andauert, dürfte die Debatte über die Verwendung dieser Gelder fortbestehen.



